Die Wegzugsbesteuerung ist eine steuerliche Maßnahme, die verhindern soll, dass Gewinne, die in Deutschland entstanden sind, bei einem Wohnsitzwechsel ins Ausland unversteuert bleiben. Diese Regelung nach § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) zielt darauf ab, die Besteuerung von sogenannten stillen Reserven sicherzustellen. Stille Reserven entstehen, wenn der Wert einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft steigt, ohne dass diese Beteiligung verkauft wurde.
Der Grund für die Einführung der Wegzugsbesteuerung liegt darin, dass es ohne diese Regelung möglich wäre, durch einen Wohnsitzwechsel in ein Land mit niedrigerer Steuerlast die Besteuerung der Wertsteigerungen zu umgehen. Insbesondere betrifft dies Gesellschafter, die eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft halten (mindestens 1% der Anteile). Bei einem Wegzug ins Ausland würde Deutschland ohne die Wegzugsbesteuerung das Besteuerungsrecht verlieren, wenn die Beteiligung später veräußert wird.
Die Wegzugsbesteuerung stellt sicher, dass der Wertzuwachs zum Zeitpunkt des Wegzugs als fiktiver Veräußerungsgewinn besteuert wird, auch wenn tatsächlich kein Verkauf stattgefunden hat. Dadurch wird sichergestellt, dass Deutschland die Besteuerung der während der Steuerpflicht in Deutschland entstandenen Wertsteigerungen nicht verliert.
Die Wegzugsbesteuerung, insbesondere die Verschärfungen, die 2022 in Kraft traten, wurde maßgeblich von führenden Politikern der Großen Koalition, bestehend aus CDU/CSU und SPD, vorangetrieben. Olaf Scholz, damals Bundesfinanzminister und später Bundeskanzler, spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausarbeitung und Verschärfung dieser Steuerregelung. Unter seiner Leitung wurde die deutsche Steuerpolitik verstärkt auf die Bekämpfung von Steuerflucht und Gewinnverlagerung ins Ausland ausgerichtet. Scholz verfolgte das Ziel, sicherzustellen, dass Vermögensgewinne, die in Deutschland entstanden sind, auch nach einem Wohnsitzwechsel ins Ausland weiterhin in Deutschland versteuert werden. Seine Führung war ausschlaggebend für die Implementierung der neuen Regelungen, die 2022 in Kraft traten.
Die Neuregelungen wurden unter der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel verabschiedet. Merkel unterstützte die Initiativen von Scholz, um die deutsche Steuerbasis zu schützen und die internationale Steuerflucht effektiv einzudämmen. Die CDU/CSU als führende Kraft der Großen Koalition stand geschlossen hinter diesen Maßnahmen.
Unter der Führung von Robert Habeck, der später in der Ampel-Koalition als Wirtschaftsminister und Vizekanzler eine zentrale Rolle übernahm, unterstützten auch die Grünen die Verschärfung der Wegzugsbesteuerung. Sie argumentierten, dass eine konsequente Besteuerung notwendig sei, um Steuergerechtigkeit zu gewährleisten und den internationalen Steuerwettbewerb fairer zu gestalten. Die Grünen sahen in den neuen Regelungen ein wirksames Mittel, um Steuervermeidung zu bekämpfen und sicherzustellen, dass Deutschland keine wichtigen Steuereinnahmen verliert.
Unter die Wegzugsbesteuerung fallen Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn der Steuerpflichtige mindestens 1% der Anteile an dieser Gesellschaft hält. Dies betrifft sowohl inländische als auch ausländische Kapitalgesellschaften, solange die Beteiligungen im Privatvermögen des Steuerpflichtigen gehalten werden. Wesentlich ist, dass die Person, die diese Anteile hält, in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Die Wegzugsbesteuerung greift unabhängig davon, ob es sich um eine Beteiligung an einer GmbH, AG oder einer vergleichbaren ausländischen Gesellschaft handelt.
Betroffen sind natürliche Personen, die in den letzten zwölf Jahren mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren und in dieser Zeit mindestens 1% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft gehalten haben. Dies schließt insbesondere Gesellschafter von GmbHs, Aktionäre von AGs und vergleichbare Beteiligte ein. Auch wenn die Beteiligung nur zeitweise während dieser Zeitspanne gehalten wurde, wird die Wegzugsbesteuerung ausgelöst. Diese Regelung zielt darauf ab, sicherzustellen, dass der deutsche Fiskus auf Gewinne zugreifen kann, die während der Steuerpflicht im Inland erwirtschaftet wurden, bevor die steuerpflichtige Person ins Ausland zieht.
Ja, die Wegzugsbesteuerung hat bereits viele potenzielle Gründer davon abgehalten, ihr Unternehmen in Deutschland zu gründen, insbesondere wenn sie langfristig eine internationale Expansion planen. Die Aussicht auf eine erhebliche Steuerlast bei einem späteren Wegzug stellt für viele Unternehmer eine abschreckende Hürde dar.
Ja, durch die strikte Anwendung der Wegzugsbesteuerung wird Deutschland im internationalen Vergleich weiter an Attraktivität verlieren. Länder mit weniger restriktiven steuerlichen Rahmenbedingungen oder mit flexibleren Regelungen könnten für international orientierte Unternehmer attraktiver sein, was dazu führen könnte, dass potenzielle Gründer eher andere Standorte wählen.
Die Wegzugsbesteuerung könnte dazu führen, dass Unternehmer vorsichtiger bei Investitionsentscheidungen sind, insbesondere wenn sie eine spätere Internationalisierung oder einen Verkauf ihres Unternehmens ins Ausland planen. Die Aussicht auf eine hohe Steuerlast bei einem Wegzug könnte die Bereitschaft zur Investition in Deutschland mindern, insbesondere bei Start-ups und Technologieunternehmen, die oft international ausgerichtet sind.
Die Wegzugsbesteuerung wird ausgelöst, wenn eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt. Darüber hinaus greift die Steuer auch in folgenden Fällen:
Die Berechnung der Wegzugsbesteuerung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird der gemeine Wert der Anteile am Tag des Wegzugs ermittelt. Der gemeine Wert entspricht in der Regel dem Marktwert, der durch das vereinfachte Ertragswertverfahren ermittelt werden kann. Hierbei wird der durchschnittliche Jahresgewinn der letzten drei Jahre als Basis genommen. Angenommen, eine GmbH hat in den letzten drei Jahren durchschnittlich einen Jahresgewinn von 300.000 Euro erwirtschaftet, könnte der gemeine Wert bei einem Multiplikator von 10 etwa 3.000.000 Euro betragen.
Von diesem gemeinen Wert werden die ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteile abgezogen. Wenn die Anteile beispielsweise für 1.000.000 Euro erworben wurden, ergibt sich ein fiktiver Veräußerungsgewinn von 2.000.000 Euro. Dieser Gewinn wird nach dem Teileinkünfteverfahren versteuert, wobei 60% des Gewinns in die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer einfließen. Bei einem persönlichen Steuersatz von 40% würde die Steuerlast auf diesen Gewinn 480.000 Euro betragen (40% von 60% von 2.000.000 Euro).
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen kann die Wegzugsbesteuerung gestundet werden. Vor der Gesetzesänderung im Jahr 2022 war es möglich, bei einem Wegzug innerhalb der EU oder des EWR die Steuer unbefristet und zinslos zu stunden. Nach der Reform ist jedoch nur noch eine Stundung über maximal sieben Jahre möglich, und dies auch nur gegen Sicherheitsleistung. Die Stundung erfolgt in gleichmäßigen Jahresraten. Diese Möglichkeit soll sicherstellen, dass der Steuerpflichtige nicht sofort die gesamte Steuerlast begleichen muss, besonders dann, wenn keine Liquidität durch den Verkauf der Anteile entstanden ist.
Nachträgliche Wertänderungen der Anteile haben keinen Einfluss auf die bereits festgesetzte Wegzugssteuer. Sollte der Wert der Anteile nach dem Wegzug steigen, wird dieser Gewinn im neuen Ansässigkeitsstaat besteuert, nicht jedoch in Deutschland. Umgekehrt reduziert eine nachträgliche Wertminderung die festgesetzte Wegzugssteuer ebenfalls nicht.
Diese Regelung wurde eingeführt, um sicherzustellen, dass nach dem Wegzug keine nachträglichen Anpassungen der Steuerlast vorgenommen werden, die zu einer Reduzierung der Steuereinnahmen führen könnten. Der Wert der Anteile wird einmalig zum Zeitpunkt des Wegzugs festgelegt und bildet die Grundlage für die Besteuerung.
Bei einem Wegzug innerhalb der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gelten besondere Regelungen. Bis 2022 war es möglich, die Wegzugssteuer unbefristet und zinslos zu stunden, wenn der Wegzug in ein EU- oder EWR-Land erfolgte. Diese Regelung wurde jedoch abgeschafft, und nun kann die Steuer nur noch für maximal sieben Jahre gestundet werden, wenn eine Sicherheitsleistung erbracht wird.
Diese Änderung steht im Einklang mit dem Freizügigkeitsrecht innerhalb der EU, das sicherstellen soll, dass Steuerpflichtige ihre Bewegungsfreiheit innerhalb des Binnenmarktes ausüben können, ohne durch steuerliche Barrieren behindert zu werden. Dennoch wird durch die neuen Regelungen sichergestellt, dass die Besteuerung der stillen Reserven nicht dauerhaft hinausgeschoben werden kann.
Ja, es gibt verschiedene Strategien, um die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden oder zu minimieren. Eine Möglichkeit besteht darin, die Anteile vor dem Wegzug zu veräußern oder unentgeltlich auf eine andere Person zu übertragen. In solchen Fällen wird die Wegzugsbesteuerung nicht ausgelöst, da die Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs nicht mehr im Besitz des Steuerpflichtigen sind.
Eine andere Strategie ist die Einbringung der Anteile in eine Familienstiftung oder eine andere Holdingstruktur. Dadurch kann die Steuerpflicht vermieden werden, wenn die Anteile im Rahmen der Stiftung gehalten werden und somit nicht mehr direkt dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden.
Es ist jedoch wichtig, diese Strategien sorgfältig zu planen und die steuerlichen Auswirkungen genau zu prüfen. In einigen Fällen können solche Maßnahmen zu anderen steuerlichen Verpflichtungen führen, wie der Schenkungssteuer oder der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
Beim Wegzug aus Deutschland bestehen umfassende Dokumentationspflichten. Der Steuerpflichtige muss seinen Wegzug dem Finanzamt anzeigen und alle relevanten steuerlichen Informationen bereitstellen. Dazu gehören die neue Adresse im Ausland, eine Liste der in Deutschland verbleibenden Vermögenswerte und Einkünfte sowie Nachweise über die Verlagerung des Lebensmittelpunkts ins Ausland.
Das Finanzamt kann darüber hinaus zusätzliche Nachweise anfordern, um sicherzustellen, dass der Wegzug tatsächlich erfolgt ist und dass keine steuerlichen Verpflichtungen in Deutschland bestehen bleiben. Diese Nachweise können unter anderem Flugtickets, Mietverträge im Ausland oder Abmeldebescheinigungen umfassen.
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sind entscheidend bei der Wegzugsbesteuerung, da sie die steuerlichen Rechte und Pflichten zwischen dem bisherigen Wohnsitzstaat und dem neuen Wohnsitzstaat regeln. Ein DBA kann verhindern, dass ein Steuerpflichtiger für dieselben Einkünfte in beiden Ländern Steuern zahlen muss.
Im Rahmen der Wegzugsbesteuerung kann ein DBA dafür sorgen, dass Deutschland das Recht zur Besteuerung von bestimmten Einkünften verliert, wenn das Besteuerungsrecht an den neuen Wohnsitzstaat übergeht. Allerdings bedeutet dies nicht automatisch, dass die Wegzugsbesteuerung vermieden wird. Die fiktive Veräußerung der Anteile wird weiterhin in Deutschland besteuert, bevor das Besteuerungsrecht auf das neue Land übergeht.
Wenn ein Steuerpflichtiger nach einem Wegzug nach Deutschland zurückkehrt, kann dies Auswirkungen auf die zuvor festgesetzte Wegzugssteuer haben. Unter bestimmten Bedingungen kann die Steuer rückwirkend entfallen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren nach Deutschland zurückkehrt und während des Auslandsaufenthalts keine Anteile veräußert hat.
Es ist wichtig, die Rückkehr dem Finanzamt rechtzeitig anzuzeigen und alle erforderlichen Nachweise zu erbringen, um die Steuerpflicht aufzuheben. Eine Rückkehr nach mehr als sieben Jahren erfordert eine genaue Prüfung der individuellen Umstände, um festzustellen, ob und wie die Wegzugssteuer angepasst werden kann.
Auch nach einem Wegzug können Vermögenswerte in Deutschland steuerliche Konsequenzen haben. Einkünfte aus in Deutschland verbliebenem Vermögen, wie Mieteinnahmen oder Dividenden, müssen weiterhin in Deutschland versteuert werden. Die genaue steuerliche Behandlung hängt von den Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens ab.
Wenn der Steuerpflichtige nach dem Wegzug noch Vermögen in Deutschland besitzt, wie Immobilien oder Unternehmensanteile, kann es erforderlich sein, weiterhin Steuererklärungen in Deutschland abzugeben. Die Beschränkung der Steuerpflicht bedeutet, dass nur bestimmte Einkünfte besteuert werden, während andere steuerliche Vorteile, wie persönliche Freibeträge, entfallen können.
Die Wegzugsbesteuerung kann Auswirkungen auf andere steuerliche Verpflichtungen haben, wie etwa die Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Wenn Anteile an Kapitalgesellschaften vor dem Wegzug unentgeltlich übertragen werden, könnte dies Schenkungssteuer auslösen. Zudem können durch den Wegzug und die damit verbundene Besteuerung von stillen Reserven weitere steuerliche Pflichten entstehen, die im Zusammenhang mit der Auflösung von Gesellschaften oder der Veräußerung von Vermögenswerten stehen. Es ist wichtig, diese Wechselwirkungen im Vorfeld zu prüfen und gegebenenfalls steuerliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um unerwartete Steuerlasten zu vermeiden.
In bestimmten Fällen können Ausnahmen oder besondere Regelungen für die Wegzugsbesteuerung gelten. Beispielsweise gibt es Sonderregelungen für Personen, die nur temporär ins Ausland ziehen und innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Deutschland zurückkehren möchten. Auch für Angehörige bestimmter Berufsgruppen oder für Personen, die in bestimmten Ländern tätig sind, können spezielle Bestimmungen gelten, die die Steuerlast reduzieren oder die Anwendung der Wegzugsbesteuerung verhindern.
Diese Ausnahmen sind jedoch oft an strenge Voraussetzungen gebunden und erfordern eine genaue Prüfung der individuellen Umstände. Steuerpflichtige sollten sich frühzeitig informieren und gegebenenfalls steuerliche Beratung in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass sie von diesen Regelungen profitieren können.
Änderungen in der Gesetzgebung können erhebliche Auswirkungen auf die Wegzugsbesteuerung haben. Die Reformen von 2022 haben beispielsweise die Möglichkeiten zur Stundung der Wegzugssteuer eingeschränkt und die steuerliche Belastung für Wegzügler erhöht. Es ist wichtig, sich über aktuelle und bevorstehende Änderungen im Steuerrecht zu informieren, da diese Einfluss auf die Planung und Umsetzung eines Wegzugs ins Ausland haben können. Steuerpflichtige sollten regelmäßig rechtliche und steuerliche Beratung in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand sind und ihre Steuerlast optimal managen können.
Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG betrifft ausschließlich natürliche Personen, die wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (mindestens 1% der Anteile) im Privatvermögen halten. Privatpersonen, die keine solchen Anteile besitzen, sind von der Wegzugsbesteuerung nicht betroffen. Diese Personen unterliegen jedoch anderen steuerlichen Regelungen, wenn sie ins Ausland ziehen. Beispielsweise könnte ihr verbleibendes Vermögen in Deutschland, wie Immobilien oder Bankkonten, weiterhin der deutschen Besteuerung unterliegen. Zudem könnten sie je nach neuem Wohnsitzland einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen. Auch hier spielen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine wesentliche Rolle, um sicherzustellen, dass Einkommen nicht doppe