Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das von einem Nachlassgericht ausgestellt wird. Es dient dem Zweck, die Erben eines Verstorbenen rechtssicher zu identifizieren und die Erbfolge festzulegen. Der Erbschein gibt Auskunft darüber, wer Erbe geworden ist, in welchem Anteil das Erbe verteilt wird und ob es eventuelle Einschränkungen gibt, wie beispielsweise Vor- oder Nacherbschaften oder die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers. Ohne diesen Nachweis ist es oft nicht möglich, auf Vermögenswerte zuzugreifen oder eine Immobilie auf den Erben umschreiben zu lassen.
Ein Erbschein enthält zahlreiche wichtige Informationen, die für den Erben von großer Bedeutung sind:
Diese Angaben sind für Behörden und Banken von entscheidender Bedeutung, da sie den Erben ihre Handlungsfähigkeit im Rahmen der Erbverwaltung und Nachlassabwicklung bescheinigen. Sie dienen außerdem dazu, Rechtssicherheit zu schaffen und Missverständnisse zu vermeiden.
Ein Erbschein ist in vielen Fällen unerlässlich, da er das einzige Dokument ist, das verbindlich Auskunft über die Erbenstellung gibt. Ohne einen solchen Nachweis können Erben ihre Rechte oft nicht geltend machen. Hier sind einige Beispiele, wann und warum ein Erbschein benötigt wird:
Nach dem Tod einer Person sind Bankkonten in der Regel gesperrt, und niemand kann ohne einen Erbnachweis Zugriff darauf erhalten. Banken verlangen in der Regel die Vorlage eines Erbscheins, bevor sie den Erben die Verfügung über das Konto gewähren. Das gilt selbst dann, wenn der Erbe in einem Testament benannt ist – es sei denn, es handelt sich um ein notarielles Testament, das in vielen Fällen ebenfalls als Nachweis anerkannt wird.
Wenn der Nachlass eine Immobilie umfasst, ist der Erbschein für die Umschreibung im Grundbuch unerlässlich. Ohne einen Erbschein wird der neue Eigentümer nicht im Grundbuch eingetragen, was Probleme bei der Verwaltung oder dem Verkauf der Immobilie mit sich bringen kann. Besonders in Erbengemeinschaften, wenn mehrere Personen als Erben auftreten, ist der Erbschein ein unersetzliches Dokument, um Klarheit über die Eigentumsverhältnisse zu schaffen.
Auch im Hinblick auf Verbindlichkeiten ist der Erbschein notwendig. Gläubiger des Verstorbenen können ihre Forderungen erst geltend machen, wenn klar ist, wer rechtlich als Erbe anerkannt ist. Ebenso kann der Erbe Verträge des Verstorbenen (z. B. Mietverträge oder Versicherungen) erst dann kündigen, wenn er seine Erbenstellung durch einen Erbschein nachweist.
Einen Erbschein können nur bestimmte Personen beantragen. Der Antragsteller muss ein berechtigtes Interesse haben, das Erbrecht nachzuweisen, um handlungsfähig zu sein. Folgende Personen sind dazu berechtigt:
Erben – unabhängig davon, ob es sich um Alleinerben oder Miterben handelt – können einen Erbschein beantragen. Bei Miterben kann jeder einzelne Erbe den Erbschein beantragen, es besteht jedoch auch die Möglichkeit, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu beantragen, der die Erbanteile aller Erben zusammenfasst.
Ein vom Erblasser eingesetzter Testamentsvollstrecker kann den Erbschein beantragen, um den Nachlass gemäß den Vorgaben des Testaments zu verwalten.
Wenn der Nachlass überschuldet ist oder ein Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wurde, kann der Nachlassverwalter einen Erbschein beantragen, um die Verwaltung des Erbes im rechtlichen Rahmen durchführen zu können.
In Ausnahmefällen können auch Gläubiger des Verstorbenen einen Erbschein beantragen. Dies ist dann der Fall, wenn der Erbe seine Schulden aus dem Nachlass nicht begleicht und der Gläubiger gezwungen ist, rechtliche Schritte einzuleiten, um seine Forderungen durchzusetzen.
Der Antrag auf einen Erbschein muss beim zuständigen Nachlassgericht gestellt werden. Dieses befindet sich am letzten Wohnsitz des Verstorbenen. Es ist auch möglich, den Antrag über einen Notar einzureichen, was in bestimmten Fällen sinnvoll sein kann, insbesondere wenn eine notarielle Begleitung des gesamten Erbverfahrens gewünscht wird.
Um den Antrag auf einen Erbschein zu stellen, sind verschiedene Dokumente notwendig. Zu den wichtigsten gehören:
Zusätzlich muss der Antragsteller in der Regel eine eidesstattliche Versicherung abgeben, in der er erklärt, dass ihm keine anderen Erben oder Umstände bekannt sind, die seine Angaben widerlegen.
Die Dauer bis zur Ausstellung eines Erbscheins hängt von verschiedenen Faktoren ab. In einfachen Fällen, bei denen die Erbfolge klar ist und keine weiteren Prüfungen nötig sind, kann der Erbschein innerhalb weniger Wochen ausgestellt werden. In komplexeren Fällen, insbesondere wenn es mehrere Erben oder Streitigkeiten gibt, kann sich das Verfahren jedoch über mehrere Monate ziehen.
Das Nachlassgericht prüft die eingereichten Unterlagen sorgfältig und führt gegebenenfalls eigene Ermittlungen durch. Dazu gehört auch die Überprüfung, ob es weitere Erben oder Testamente gibt, die den Erbanspruch des Antragstellers beeinflussen könnten.
Die Kosten für einen Erbschein richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Je höher der Nachlasswert, desto teurer wird das Verfahren. Die Berechnung erfolgt nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Zwei Gebühren fallen in der Regel an:
Beispielhafte Gebühren:
GUT ZU WISSEN: Falls der Antrag beim Notar gestellt wird, kommen zusätzlich Notargebühren und die Mehrwertsteuer hinzu.
Ja, es gibt in einigen Fällen Alternativen zum Erbschein. Diese können genutzt werden, wenn es eine klarere oder einfachere Möglichkeit gibt, die Erbenstellung nachzuweisen.
Ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag sind in vielen Fällen ausreichend, um die Erbfolge zu belegen. Diese Dokumente haben vor Gericht dieselbe Beweiskraft wie ein Erbschein und können besonders bei Grundbuchangelegenheiten oder bei Banken als Ersatz für den Erbschein dienen.
Wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eine transmortale Bankvollmacht (also eine Vollmacht, die auch nach dem Tod noch gültig ist) ausgestellt hat, kann der Bevollmächtigte die Bankgeschäfte des Verstorbenen weiterführen, ohne einen Erbschein vorlegen zu müssen. Dies ist besonders praktisch, da es die aufwendige Erbscheinsbeantragung erspart und den sofortigen Zugriff auf die Konten ermöglicht.
Erben übernehmen mit der Annahme der Erbschaft auch die Schulden des Verstorbenen. In Fällen, in denen der Nachlass überschuldet ist, sollten Erben die Möglichkeit der Erbausschlagung in Betracht ziehen. Hierzu haben sie eine Frist von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls. Alternativ können sie ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen, um die Haftung auf den Nachlass zu beschränken und nicht mit ihrem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers zu haften.
Wenn Immobilien vererbt werden, ist ein Erbschein oft zwingend notwendig, um die Eigentumsverhältnisse im Grundbuch zu ändern. Obwohl notarielle Testamente manchmal als Erbnachweis ausreichen, verlangen Grundbuchämter häufig einen Erbschein, insbesondere wenn Zweifel an der Erbfolge bestehen oder die vorgelegten Dokumente nicht ausreichend klar sind. Der Erbschein stellt für das Grundbuchamt sicher, dass der Erbe rechtlich korrekt erfasst und die Immobilie ordnungsgemäß übertragen wird.
Erben sollten sich über wichtige Verjährungsfristen im Klaren sein. Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in der Regel nach drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Erbe vom Erbfall erfahren hat. Auch die Ausschlagung der Erbschaft muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls erfolgen, andernfalls wird die Erbschaft automatisch angenommen. Es ist zudem wichtig, Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen, um mögliche rechtliche Nachteile zu vermeiden.
Ja, ein Erbschein kann nachträglich für ungültig erklärt werden, wenn sich herausstellt, dass die im Erbschein ausgewiesene Erbfolge falsch war. Dies kann beispielsweise geschehen, wenn ein späteres Testament auftaucht, das die Erbfolge anders regelt. In solchen Fällen wird der Erbschein vom Nachlassgericht für kraftlos erklärt, was bedeutet, dass er seine Gültigkeit verliert. Dies schützt die Rechte der tatsächlichen Erben und sorgt dafür, dass der Nachlass korrekt verteilt wird.
Hat der Erblasser im Rahmen eines Vertrags (z. B. bei einer Lebensversicherung) eine andere Person begünstigt, kann diese Person die Versicherungsleistung oder andere vertraglich zugesicherte Leistungen direkt erhalten, ohne dass ein Erbschein erforderlich ist.
Ein deutscher Erbschein ist in der Regel nur in Deutschland gültig. Wenn der Nachlass Vermögenswerte im Ausland umfasst, kann es notwendig sein, zusätzlich ein Europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen. Dieses Dokument ist in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (außer Dänemark und Irland) anerkannt und erleichtert die Abwicklung des Nachlasses im Ausland.
Das Europäische Nachlasszeugnis kann beim Nachlassgericht beantragt werden, das auch für den Erbschein zuständig ist. Der Antragsteller erhält eine beglaubigte Kopie des Nachlasszeugnisses, die sechs Monate gültig ist. Nach Ablauf dieser Frist muss eine neue Kopie beantragt werden, wenn weiterhin Nachlassangelegenheiten im Ausland geregelt werden müssen.